Landesparteitag - Berliner Grüne stimmen für Neuordnung des Verfassungsschutzes

Sa 04.05.24 | 13:05 Uhr
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Beim Parteitag (Landesdelegiertenkonferenz) von Bündnis90/Die Grünen wird im Estrel Convention Center über die Geschäftsordnung abgestimmt. (Quelle: dpa/Carstensen)
Video: rbb24 Abendschau | 04.05.2024 | Nachrichten | Bild: dpa/Carstensen

Bei ihrem Landestreffen debattieren die Berliner Grünen am Samstag über mögliche Veränderungen zur Stärkung der Demokratie. Im Rahmen dessen stimmten sie für die Neuordnung des Verfassungsschutzes. Auch die Arbeit des Senats wurde kritisiert.

Die Berliner Grünen wollen den Verfassungsschutz auf Landesebene neu aufstellen. Mit großer Mehrheit haben sie am Samstagmittag auf ihrem Landesparteitag einen entsprechenden Leitantrag verabschiedet.

Wenn es nach den Grünen geht, soll es künftig zwei Säulen im Verfassungsschutz geben: Zum einen soll es wie bisher eine nachrichtendienstliche Tätigkeit geben. Zusätzlich soll wissenschaftliche Analyse einfließen, und die Zivilgesellschaft mehr beteiligt werden - das soll in einem eigens dafür gegründeten Institut gebündelt werden.

Der Verfassungsschutz sei zu lange auf dem rechten Auge blind gewesen, erklärte die Grünen-Co-Vorsitzende Nina Stahr. Das müsse sich ändern.

Forderung nach wissenschaftlicher Analyse der Arbeitsweise des Verfassungsschutzes

Der Verfassungsschutz müsse sich klar fokussieren auf die Früherkennung von staatsgefährdenden Straftaten, Desinformation, Spionage und Terrorismus, hieß es im Vorfeld. Durch die Doppelstruktur werde die Analysefähigkeit gestärkt und der in Wissenschaft und Zivilgesellschaft vorhandene Sachverstand über verfassungsfeindliche Bestrebungen systematisch genutzt, so die Grünen.

Sie fordern - schon seit längerem - auch eine wissenschaftliche Untersuchung der bisherigen Arbeitsweise des Verfassungsschutzes, der eine Abteilung der Senatsinnenverwaltung ist. Dies sei Grundvoraussetzung, um Aufgaben, Prioritäten und Ressourcen bewerten und neu justieren zu können.

Neues Vertrauen für den Landesverfassungsschutz

Trotz bundesweiter Erfolge bei der Verhinderung extremistischer Anschläge oder der Aufdeckung russischer und chinesischer Spionage werde die Tätigkeit des Verfassungsschutzes zurecht kritisch betrachtet, heißt es in dem Grünen-Papier weiter. "Die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder sind ihren Aufgaben durch ihre langjährige Blindheit auf dem rechten Auge und Stigmatisierung linken Protestes, dem Versagen im NSU-Komplex, V-Leute-Skandalen und Fehlern im Zusammenhang des Breitscheidplatz-Anschlages zu oft nicht gerecht geworden."

Vorgänge wie die rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln hätten auch in Berlin Vertrauen gekostet. "All das belegt, dass der Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form zu oft nicht funktioniert und die Kernaufgabe der Früherkennung in Teilen sogar behindert hat." Die Ausführungen zum Verfassungsschutz sind Teil eines Leitantrages der Grünen-Landesspitze zum Thema "Demokratie stärken", der von den Parteitagsdelegierten am Samstag mit hoher Wahrscheinlichkeit beschlossen wird. Über die genauen Formulierungen zu dem Punkt wurde nach dpa-Informationen bis zuletzt gerungen.

Ghirmai kritisiert die Senatspolitik scharf

Der Berliner Grünen-Vorsitzende Philmon Ghirmai äußerte sich auf dem Landesparteitag auch zur bisherigen Politik des schwarz-roten Senats. Er kritisierte sie demnach als "Rückschritt pur". Im Sozialbereich werde gestrichen, Entscheidungen zum Haushalt würden in Hinterzimmern getroffen, sagte Ghirmai am Samstag. "Die Verkehrswende und der Klimaschutz werden ausgebremst, und die Mietpreise in unserer Stadt explodieren weiter." Hinzu komme die "Schnapsidee" der CDU, eine Magnetschwebebahn bauen zu wollen. Das sei alles "ziemlich dünn".

"Wir Bündnisgrüne haben richtig Bock, in dieser Stadt etwas zum Guten zu verändern", sagte Ghirmai weiter. So setzten etwa die Grünen-Verkehrsstadträte in acht Bezirken dem "verkehrspolitischen Chaos von Schwarz-Rot" mit Radwege-Stopp, Tram-Stopp oder Busspur-Stopp etwas entgegen: Sie hörten nicht auf, für die Verkehrswende zu kämpfen. "Jeder Radweg, jeder Kiezblock und jede Spielstraße sind ein Schritt zu einem Berlin, in dem sich alle nach ihrem eigenen Wunsch bewegen können."

Die Grünen auf Landes- und Bezirksebene stünden an der Seite der Menschen in Berlin. "Wir packen wirklich an. Wir legen den Finger in die Wunde und lassen Schwarz-Rot auch in Zukunft nichts durchgehen", so Ghirmai.

Streit um Enteignungs-Kurs

Am Ende ist es beim Thema Enteignungen knapper geworden, als die meisten vorausgesagt haben: Mit etwa 57 Prozent haben sich zwar diejenigen unter den Berliner Grünen durchgesetzt, die sich weiterhin für eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen aussprechen.

Dass aber rund 43 Prozent der Delegierten beim Landesparteitag für eine Abkehr der bisherigen Politik stimmten, werteten Gegner von Enteignungen als Paukenschlag. Mehrheitlich Delegierte aus Berlin-Mitte, Pankow, Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf und Spandau stimmten für einen enteignungskritischeren Kurs. Den Antrag hatte der Kreisverband Mitte eingebracht.

Sendung: Radioeins, 04.05.2024, 09:00 Uhr

79 Kommentare

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  1. 79.

    Zitat: "Ach wäre es schön, einen Wunsch freizuhaben. Die Grünen sollen wieder verschwinden, damit es Frieden in der Welt geben kann."

    Die aktuellen Kriege auf der Welt werden also von den Grünen geführt oder zumindest supportet, weil denen wohl Kriegshändel irgendwie am Herzen liegt, Oliver? Nu ja, ein Hoch auf die Meinungsfreiheit - und sei sie auch noch so spinnert.

  2. 78.

    Guten Abend!
    Ich finde es schön, wenn man sich hier zum Gedankenaustausch trifft. Muß aber feststellen, daß einige ziemlich rechthaberisch daherkommen und sogar unsachlich sind. Andere wiederum lenken vom Thema ab und auf ein anderes hin. Und ganz andere sind einfach gesagt pur böse, unhöflich.Das gehört sich nicht. Wir müssen andere Menschen so behandeln, wie wir uns wünschen von anderen behandelt zu werden.

  3. 76.

    Zitat: "Der Verfassungsschutz kann sich nicht um seine ureigensten Aufgaben kümmern, da er zum Senken der Umfragewerte beitragen muss."

    Ja genau, der VS wurde "par ordre du mufti" angewiesen seine eigentl. Aufgaben zurückzustellen und sämtliche Ressourcen auf den Kampf gegen die Umfragewerte der AfD zu konzentrieren. Sie sind da einem ganz dicken Hund auf der Spur und sollten unbedingt am Ball bleiben, Herr/ Frau "Geblendet"!

  4. 75.

    In den neunzigern hatten die Grünen mein Kreuz auf dem Wahlzettel sicher, egal ob auf Berlin- oder Bundes-Ebene.
    Das hat sich aber arg geändert.
    Aussicht auf "alles wird besser" wich real zu "alles wird schlimmer".
    "Mitnehmen" werden mich die Grünen so nicht mehr, daher sehe ich diese eher "am Kreuz".
    Vielleicht auch weil ich es inzwischen im Kreuz habe und auch diesen Bereich (medizinische Versorgung/Seniorendasein) wenig Beachtung geschenkt wird.
    Lediglich meine Empfindung.

  5. 74.

    Putin ist nach Aussage der Alt-Kanzlers Schröder ( SPD ) ein lupenreiner Demokrat. Der muss es ja wissen, denn er hat die Geschicke Deutschlands jahrelang in der Hand gehabt und regiert. Die Frage ist, ob die eigene Partei auch so lupenrein
    demokratisch ist, oder schon Einschlüsse hat ?

  6. 73.

    Wenn die Rechtsextremen weg kommen, dann bleiben doch immer noch Rechte übrig. Was soll denn mit denen geschehen?

  7. 72.

    "Wo haben Sie denn diese Informationen her, aus den öffentlich rechtlichen? Finde den Fehler. "

    Ich finde es witzig wenn Feinde der ÖR in genau denselben ihre Hetze und Desinformationen verbreiten.

  8. 71.

    Die Denkanstösse von anderen Kommentatoren, die nicht veröffentlicht wurden,die waren gemeint.

  9. 70.

    Also, die Grünen kann man in manchen innenpolitischen Bereichen kritisieren, aber für den Weltfrieden setzten sie sich immer ein, auch heute .
    In der Außenpolitik haben sie bereits die Realitäten richtig erkannt.

  10. 69.

    Ach wäre es schön, einen Wunsch freizuhaben. Die Rechtsextremisten sollen wieder verschwinden, damit es Frieden in der Welt geben kann.

  11. 66.

    Der Fehler ist die Leugnung faschistischer Tendenzen der AfD. Wider besseres Wissen oder aus Unvermögen, sich zu informieren. Das erklärte Feindbild "Grüne". Wider besseres Wissen oder aus Unvermögen, sich zu informieren. Das sieht man oft daran, dass es eben für die Schönrederei der Blauen oder die Abneigung gegen die Grünen kaum oder immer diesselben Quellen genannt werden, die ihrerseits einer näheren Betrachtung nicht standhalten. (Bsp.: Die Akw-Story des Cicero).

  12. 65.

    Tja, die Veröffentlichung der Denkanstösse lässt aber zu wünschen übrig.

  13. 64.

    Wo haben Sie denn diese Informationen her, aus den öffentlich rechtlichen? Finde den Fehler.

  14. 63.

    Ach wäre es schön, einen Wunsch freizuhaben. Die Grünen sollen wieder verschwinden, damit es Frieden in der Welt geben kann.

  15. 62.

    Sie meinen also "demokratische und plebiszitäre Elemente" wie die geplanten Deportationen?

    Die laut René Springer kein Ausrutscher sei, sondern ein Versprechen.

    "Springer hatte schon im Januar bekräftigt, es sei kein Geheimplan, dass Millionen Menschen Deutschland verlassen sollten, sondern ein „Versprechen“. Damit reagierte er auf Berichte über ein Treffen von Rechten und Rechtsextremen in Potsdam, bei dem über „Remigration“ gesprochen worden war. Der Identitäre Martin Sellner, der bei dem Treffen dabei war, beschrieb in Reaktion auf die Berichte, loswerden wolle man Menschen, „die wirtschaftlich, kriminell und kulturell zur Last fallen“. Ähnliches hatten AfD-Politiker in der Vergangenheit auch schon gefordert. "

  16. 61.

    Danke lieber Sebastian. Ich erinnere mich gut lesen zu können (gottseidank). Einen Wahlzettel kann ich mit meinem Intellekt verstehen. Und sanft ein Kreuz setzen. Vorher den Kopf eingeschaltet (nicht vergessen). Sie haben vielen den Sonntag gerettet.

  17. 60.

    Sie schreiben richtig: " scheint demokratisch zu sein". In diesem Fall trügt der Schein.

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